Kinder mit Aufmerksamkeitsdefizit-Hyperaktivitätsstörung (ADHS) stehen vor einer Vielzahl von Herausforderungen: Impulsivität, Unruhe und Konzentrationsprobleme beeinträchtigen oft das Lernen, das soziale Miteinander und den Alltag. Eine gezielte Förderung der Psychomotorik kann hier eine wichtige Unterstützung bieten, indem sie die Körperwahrnehmung und Bewegungssteuerung stärkt. Psychomotorisches Training hat das Potenzial, die Selbstregulation und Konzentration zu fördern und positive Veränderungen im Verhalten von Kindern mit ADHS zu bewirken.
In diesem Artikel beleuchten wir die Verbindung zwischen ADHS und Psychomotorik, erklären, warum motorische Übungen so wertvoll sind, und stellen einige praktische Ansätze vor.
ADHS und Psychomotorik – wie hängt das zusammen?
ADHS zeigt sich häufig in einer Mischung aus körperlicher Unruhe, Impulsivität und einem Mangel an Konzentrationsfähigkeit. Kinder mit ADHS sind oft in ständiger Bewegung und tun sich schwer, ihre Aufmerksamkeit auf eine Aufgabe zu lenken. Diese Schwierigkeiten sind nicht nur eine Folge mangelnder Selbstkontrolle, sondern auch eines Ungleichgewichts in der Wahrnehmung und der motorischen Steuerung.
Die Psychomotorik stellt die Verbindung zwischen Bewegung und Psyche in den Vordergrund. Sie geht davon aus, dass sich die Entwicklung des Denkens und der Emotionen in der Bewegung spiegelt und dass körperliche Aktivität eine wichtige Rolle für die Persönlichkeitsentwicklung spielt. Psychomotorische Übungen können die Körperwahrnehmung und Bewegungskoordination von Kindern mit ADHS fördern und die Fähigkeit, sich selbst zu regulieren, stärken.
Warum ist die Psychomotorik für Kinder mit ADHS so wertvoll?
Kinder mit ADHS haben oft Schwierigkeiten, ihren eigenen Körper im Raum wahrzunehmen und zu steuern, was zu Schwierigkeiten in der Koordination und zur Impulsivität beitragen kann. Ein gezieltes Training der Psychomotorik hilft dabei, das Körperbewusstsein und die Eigenwahrnehmung zu stärken, was sich positiv auf die Verhaltensregulation auswirken kann. Die Hauptvorteile psychomotorischer Förderung für Kinder mit ADHS sind:
- Förderung der Selbstwahrnehmung: Durch Bewegung lernen die Kinder ihren Körper besser kennen und erfahren, wie sich Bewegungen bewusst steuern lassen. Dies kann helfen, impulsives Verhalten zu reduzieren und die Selbstkontrolle zu verbessern.
- Verbesserung der Koordination und Balance: Kinder mit ADHS zeigen häufig Defizite in der Motorik, die sich in Koordinationsschwierigkeiten oder Ungeschicklichkeit äußern können. Psychomotorik fördert die motorische Entwicklung und verbessert die Fähigkeit, Bewegungen präziser und flüssiger auszuführen.
- Entwicklung von Konzentration und Ausdauer: Psychomotorische Übungen sind oft spielerisch gestaltet und helfen den Kindern, sich auf eine Aufgabe zu fokussieren und diese zu Ende zu bringen. Das Training fördert so die Fähigkeit, sich über einen längeren Zeitraum zu konzentrieren.
- Reduktion von Stress und Unruhe: Bewegung und körperliche Aktivität sind bewährte Mittel, um Stress abzubauen und die Stimmung zu verbessern. Psychomotorik bietet Kindern mit ADHS eine Möglichkeit, ihre überschüssige Energie auf sinnvolle Weise zu kanalisieren.
- Stärkung des Selbstbewusstseins: Durch psychomotorische Übungen erleben die Kinder Erfolgserlebnisse, die ihr Selbstwertgefühl stärken. Indem sie lernen, ihren Körper zu beherrschen und Aufgaben zu meistern, bauen sie Vertrauen in ihre Fähigkeiten auf.
Psychomotorische Übungen für Kinder mit ADHS
Hier sind einige bewährte psychomotorische Übungen, die speziell darauf ausgelegt sind, die Körperwahrnehmung, Konzentration und Selbstregulation von Kindern mit ADHS zu fördern.
1. Balancierübungen zur Förderung der Stabilität und Konzentration
Balanceübungen helfen den Kindern, ihren Körper im Gleichgewicht zu halten und die Bewegungen zu koordinieren. Balancieren erfordert Konzentration und Geduld und ist daher eine wertvolle Übung, um Impulsivität zu reduzieren.
Übung: Auf einem Balancierbrett oder einer schmalen Linie laufen. Das Kind kann versuchen, sich dabei auf einen Gegenstand vor ihm zu konzentrieren und langsam zu balancieren, ohne das Gleichgewicht zu verlieren.
Wirkung: Balanceübungen fördern die Konzentration, die Körperspannung und das Vertrauen in die eigenen Fähigkeiten.
2. Hüpf- und Springübungen für Energieabbau und Körpergefühl
Kinder mit ADHS haben oft einen großen Bewegungsdrang, den sie oft unkontrolliert ausleben. Durch Hüpf- und Springübungen können sie diesen Drang kanalisieren und dabei lernen, ihre Kraft zu steuern.
Übung: Hüpfspiele wie Seilspringen oder auf einem Trampolin springen. Alternativ kann das Kind auf einem Bein hüpfen oder in verschiedenen Mustern springen (z. B. ein großes Rechteck).
Wirkung: Springübungen helfen, überschüssige Energie abzubauen und das Körpergefühl zu verbessern.
3. Spiele zur Hand-Augen-Koordination
Kinder mit ADHS haben oft Schwierigkeiten mit der Hand-Augen-Koordination. Spielerische Übungen, bei denen sie eine genaue Zielgenauigkeit entwickeln müssen, sind hier ideal.
Übung: Zielwerfen, z. B. kleine Bälle in einen Korb oder auf ein markiertes Feld werfen. Varianten mit verschiedenen Entfernungen oder mit der anderen Hand fordern die Kinder zusätzlich heraus.
Wirkung: Die Hand-Augen-Koordination verbessert die motorische Präzision und hilft den Kindern, sich auf eine Aufgabe zu konzentrieren.
4. Atem- und Entspannungsübungen zur Selbstregulation
Atem- und Entspannungsübungen sind wertvoll, um Kindern mit ADHS beizubringen, sich zu beruhigen und ihre Impulsivität zu kontrollieren. Diese Übungen können gut in Kombination mit Bewegung durchgeführt werden.
Übung: Das Kind legt sich auf eine Matte und legt die Hände auf den Bauch. Es atmet langsam ein und versucht dabei, die Bewegung des Bauchs zu spüren. Die Übung kann auch als „Bauchballon“-Übung gestaltet werden: Dabei stellt sich das Kind vor, dass es beim Einatmen einen Ballon aufbläst und beim Ausatmen wieder entleert.
Wirkung: Atemübungen helfen, das Bewusstsein für den eigenen Körper zu stärken und beruhigen das Nervensystem.
5. Körperwahrnehmungsübungen mit taktilen Elementen
Kinder mit ADHS haben häufig Schwierigkeiten, ihren eigenen Körper bewusst wahrzunehmen. Übungen, bei denen sie verschiedene Materialien und Oberflächen ertasten und erfühlen, können ihre taktile Wahrnehmung verbessern.
Übung: Ein „Fühlpfad“ aus verschiedenen Materialien wie Kieselsteinen, Sand, Stoffen und Moos anlegen, auf dem das Kind barfuß gehen kann. Auch Übungen mit Bällen unterschiedlicher Texturen sind sinnvoll, z. B. den Ball über Arme und Beine rollen.
Wirkung: Solche Übungen verbessern die Wahrnehmung des eigenen Körpers und fördern die Selbstregulation.
6. Hindernisparcours zur Verbesserung der Koordination und Reaktionsfähigkeit
Hindernisparcours sind eine spaßige Möglichkeit, um die Grobmotorik, das räumliche Denken und die Bewegungskoordination zu fördern. Die Kinder müssen auf ihre Bewegungen achten und gleichzeitig schnelle Entscheidungen treffen.
Übung: Im Freien oder in der Turnhalle einen Parcours aufbauen, den das Kind überqueren muss. Hindernisse wie Kegel, Bänke oder Balancierstangen können einbezogen werden. Der Parcours kann in unterschiedlichem Tempo bewältigt oder durch Aufgaben wie „Berühre alle blauen Hindernisse“ ergänzt werden.
Wirkung: Der Hindernisparcours fördert die Körperkoordination, die räumliche Wahrnehmung und die Konzentrationsfähigkeit.
Fazit: Psychomotorik als wertvolle Unterstützung für Kinder mit ADHS
Psychomotorisches Training bietet eine ganzheitliche Methode, um Kinder mit ADHS zu fördern. Durch Bewegung und gezielte Übungen lernen die Kinder, ihren Körper besser wahrzunehmen und zu steuern. Sie entwickeln mehr Selbstkontrolle und Konzentrationsfähigkeit und können ihre Energie sinnvoll einsetzen. Gleichzeitig fördert psychomotorisches Training die Koordination, das Gleichgewicht und das Vertrauen in die eigenen Fähigkeiten.
Psychomotorik ist eine wertvolle Ergänzung zu anderen Ansätzen, die Kinder mit ADHS dabei unterstützen, ihren Alltag besser zu meistern und sich positiv zu entwickeln. Bewegung und Körperwahrnehmung spielen eine entscheidende Rolle für die gesamte Persönlichkeitsentwicklung und helfen den Kindern, sich in ihrer eigenen Haut wohler zu fühlen.